SCHWEIZERISCHES FAMILIENBUCH

ALMANACH DES FAMILLES SUISSEES
1963, IV. Band
Bearbeiter und Herausgeber
J. P. Zwicky von Gauen
 

Evangelisch-reformiert. - Gotteshausleutefamilie und Lehenträger der Benediktinerabtei Rheinau und später Bauern und Handwerkerfamilie der zürcherischen Vogtei Andelfingen. - Urkundlich nachgewiesen seit 1348, bzw. 1358.

Wappen:
A. Nach einer Ofenkachel im Schweizerischen Landesmuseum (JN 72/HA 490) von 1946: In Blau auf grünem Dreiberg ein goldenes Weberschiffchen.
B. Nach einer 1867 im Gemeindehaus Kleinandelfingen angebrachten Wappenscheibe: Geviert: In Silber ein wachsender, schwarz gekleideter Mann, in der linken Hand einen schwarzen Stab haltend; 2 und 3: In Rot zwei goldene fünfstrahlige Sterne; 4: In Silber ein steigender roter Löwe.


Gemeinde Kleinandelfingen ZH (altes Wappen)

Geschichtliches:

Die Eigenheer von Kleinandelfingen lassen sich mit ihrem Güterbesitz durch die Urbare des Klosters Rheinau bis zum Jahre 1358 zurück verfolgen. Das Geschlecht ist autochthon und leitet seinen Namen von der im Andelfinger Gemeindebann gelegenen Rheinauer Hube am oder im Eigen ab, welche als «mansus an dem Aigen» schon 1358 im ältesten Rheinauer Urbar bezeugt ist {1} und welche nach dem Grundzinsenverzeichnis von 1464 {2} ausser dem Kehlhof die grösste Gütereinheit von Andelfingen war. Der Name Eigenheer (früher Aigenher, Aigenherr, Eigenher, Eigenherr, Eygenher sowie auch Eiginer {3}) bedeutet daher Besitzer, bzw. Lehenträger eines Eigen(tums) - hier eines Eigengutes des Klosters Rheinau, das ins neunte Jahrhundert zurückreicht, da die Klostergeschichte eine Urkunde vom Jahre 852 kennt, nach welcher ein alemannischer Grundherr das von seinem Vorfahren aus dem Herzogengeschlecht der Welfen errichtete Monasterium mit Gütern im zürcherischen Weinland und im Klett- und Albgau ausgestattet und König Ludwig dem Deutschen übertragen hat. Eigenheer ist somit im mittelhochdeutschen Sprachsinn identisch mit Landmann {4}, und das 1867 neugeschaffene Wappen versinnbildlicht der «eigene (= freie) Herr».
    Da sich die früheste urkundliche Erwähnung des Geschlechtes unter der ursprünglichen Namensform «im Eigen» schon 1348 in Ossingen vorfindet, ist anzunehmen, dass sich schon vor Mitte des 14. Jahrhunderts eine Abwanderung in diese Andelfingen benachbarte Gemeinde vollzogen hat, denn in Ossingen selbst kann der Ursprung des Geschlechtes nicht liegen, da es hier keine Örtlichkeit oder kein Gut dieses Namens gab; anderseits scheint es unwahrscheinlich, dass sich dieser in Ossingen nachgewiesene Familienname von der Siedlung «Eigen» im Städtchen Eglisau herleitet.
    Der Name dieses ältesten Sippenangehörigen in Ossingen ist der «erber knecht» Haini im Aigen, dem nach einer Reichenauer Urkunde des Abtes Eberhard vom Jahre 1348 von seinem Onkel - dem Bruder der Mutter - einige Güter zu Wülfikon {5} und zu Ochsenhart {6} vermacht wurden {7}. Da wir seinem Geschlecht später im Thurgau nicht mehr begegnen, ist kaum anzunehmen, dass die Sippe hier sesshaft geworden ist.
    In Andelfingen selbst werden die heutigen Eigenheer von Kleinandelfngen erstmals 1358 mit dem Bauern Lendi Aigenher genannt, als derselbe dem Kloster Rheinau mit einem Herbsthuhn seine Zinsleistung entrichtete {8}. Vermutliche Nachkommen dieses Lendi waren jener Bauer Eigenher, welcher 1393 mit 50 andern Angehörigen des Fleckens Andelfingen durch das königliche Hofgericht in Zürich geächtet wurde {9}, sowie Geri (= Jöri, Jörg) Aigenherr, dessen Witwe 1431 in einem späteren Rheinauer Urbar als Zinserin ab dem Gute «zer tannen» bezeugt ist {10}. Die Familie war zu dieser Zeit unter dem patronimischen Namen nicht mehr auf der Hube «im Eigen» sesshaft, denn das Gut «zer tannen» gehörte zur zweitgrössten Andelfinger Hube «am Werd», und auf der Eigenhube, die damals jährlich eine Zinsleistung von 8 Mütt Roggen und 2 Malter Hafer hervorbrachte, wohnte 1431 ein Bürgi Erni {11}, dessen Vater Cuni bereits seit 1415 den Rheinauer Kehlhof in Kleinandelfingen als Erblehen hatte und dessen Familie, wie wir noch sehen werden, mit den Eigenheer stammesverwandt sein muss.
    Geri Aigenherrs vermutliche Kinder waren Cuni Eigenher, der Stammhalter des Geschlechtes, sowie der Leutpriester Hans Eigenher zu Niederflaach (= Flaach) und eine mit einem Bauern Stucki in Humlikon verheiratete Tochter unbekannten Namens.
   
Während wir vom Priester Hans Eigenher zu Niederflaach wissen, dass er 1489 an den Ausbau der Grossmünstertürme in Zürich 3 Pfund steuerte {12}, und ihn 1492 in einer Rheinauer Urkunde {13} und im gleichen Jahre auch im Rheinauer Urbar {14} bezeugt finden, sind seine Geschwister durch die Steuerbücher der Landvogtei Andelfingen {15} und durch das Rheinauer Grundzinsenverzeichnis von 1464 {16} belegt. Festzuhalten ist hier auch, dass die damals noch kleine Familie in dieser Zeit noch nicht in Klein-, sondern in Grossandelfingen wohnte, denn die Übersiedlung nach Ennethurer (= Kleinandelfingen) erfolgte erst mit Hans Eigenher, dem einzigen bekannten Sohn des vorgenannten Cuni, zwischen 1465 und 1467. Im übrigen geht aus den Steuerbüchern nach 1468 hervor, dass das Geschlecht in Grossandelfingen nach dem Tode des Cuni (zwischen 1464 und 1468), bzw. nach der Abwanderung des Hans, erloschen ist, denn der nach dem Ehebuch Andelfingen am 23. Januar 1561 in Grossandelfingen wohnhaft gewesene Jakob Eigenher-Ammann (*1536) war ein Sohn des Kleinandelfinger Bauern Jörg Eygenher.
    Von Hans Eigenher oder Eigenherr, dem Begründer des Kleinandelfinger Stammes, dessen Linie nach dem Aussterben der Grossandelfinger Eigenheer zur grössten Bauern- und Handwerkerfamilie dieses kleinen bäuerlichen Weinländer Dorfes aufblühte, indem dieses Geschlecht später jahrzehntelang über zwanzig gleichzeitig lebende Haushaltungen umfasst und sich auch in die Zivilgemeinden Alten und Örlingen ausdehnte, besitzen wir etliche urkundliche Zeugnisse. So entrichtete Hans, nachdem er 1464 mit dem Vater noch in Grossandelfingen das jährliche Herbsthuhn nach Rheinau zinste {17}, bereits 1468, und dann wieder 1469 und 1470, in Ennethurer mit seiner Frau, seinem ledigen Sohn Burkart und dem verheirateten Sohn Andres und der Schwiegertochter neben der einheitlich festgesetzen Kopfsteuer von 5 Schilling mit dem Betrag von 12 Pfund und 6 Schilling die grösste Liegenschaftensteuer unter den Bauern Kleinandelfingens {18}. Als begüterter Landwirt nahm sich Hans Eigenherr auch gewisse Sonderrechte aus, denn Emil Stauber weiss in seiner Geschichte der Kirchgemeinde Andelfingen (S. 908, ohne Quellenangabe) zu berichten, dass Hans Eigenherr im Dezember 1486 mit zwei Mark gebüsst wurde, weil er unerlaubterweise nach Schaffhausen zum Markt fuhr.
    Von Hans Eigenherrs Söhnen führte Andres als Bauer den Stamm weiter. Ausser seinen urkundlichen Erwähnungen in den Steuerbüchern von 1468, 1469 und 1470 nennt ihn das Rheinauer Urbar von 1478 als Zinsbauer des Gutes «Bruderinen» {19}. Der Name seiner Frau ist wie diejenigen der Stammütter der früheren Generationen unbekannt. Hingegen begegnen wir unter seinen vermutlichen Söhnen Jörg und Hans den bemerkenswertesten Mitgliedern des Geschlechtes in seiner älteren Genealogie.
    Sowohl Jörg wie Hans Eigenheer (sic) waren Bauern. 1493 wurde letzterer mit einer Wiese in der Gendrisau und zwei Wiesen und einem Acker im Riet belehnt {20}. Beide scheinen als Kinder ihrer Zeit auch richtige Landsknechte gewesen zu sein, denn von Jörg hat sich eine Urfehde von 1490 erhalten {21}, weil er ein Jahr zuvor mit andern Andelfinger Kirchgenossen bei Nacht und Nebel das Städtchen Rheinau überfallen hatte, hier die Bürger und Juden beraubte und das ihm von den Eidgenossen zugesicherte Recht auf freies Geleit brach und deshalb mit einer Gefängnisstrafe gebüsst wurde. Anderseits ist von Hans Eigenheer eine vaterländische Tat bekannt, indem er 1511 in einem Kriegszug in Italien ein feindliches Banner erbeutete und dafür vom Rate von Zürich mit 8 Pfund belohnt wurde {22}.
    Von diesen beiden Eigenheer, den einzigen in Kleinandelfingen feststellbaren Namensträgern des ausgehenden 15. Jahrhunderts, muss nun das ganze spätere Geschlecht abstammen. Leider ist es zufolge der erst 1536 beginnenden Kirchenbücher unmöglich, die Filiation der nächsten zwei Generationsfolgen zu beweisen. In dieselben gehören jedoch bestimmt jener Jörg Eygenher, welcher 1531 im Verzeichnis der Güter des Meier- und Villingerhofes zu Andelfingen genannt ist {23} und 1538 in Andelfingen einen Sohn Jakob taufen lässt und auch 1540 und 1560 noch urkundlich bezeugt ist {24}, sowie jener Uli Eigenheer, welcher 1535, kurz nach der Reformation, mit Hans Hirt, Klaus Benker und andern mit der Kirche Andelfingen wegen vorreformatorischen Jahrzeitstiftungen einen Zwist hatte {25}. Sodann nennt der Zinsrodel von Kleinandelfingen vom Jahre 1544 als Güterbesitzer bereits Hans, Adam, Ulrich, Junghans, einen weiteren Hans und Bläsi Eigenheer {26}. Da letzterer 1536 im Taufbuch Andelfingen als «Eygenher, genannt Erny» eingetragen ist, ist anzunehmen, dass das alte, schon seit 1393 den Namen führende {27}, heute ausgestorbene Andelfinger Geschlecht der Erni mit den Eigenheer stammesverwandt ist, da ja diese Sippe bereits 1431 als Nachfolger der Eigenheer auf der Andelfinger Hube «im Eigen» festzustellen ist {28}.
    Neben diesem alten Stamm der Eigenheer von Kleinandelfingen, aus dem sich in den letzten Jahrzehnten auch Zweiglinien in Basel, Zürich, Schaffhausen, Affoltern am Albis, Hausen am Albis, Wädenswil, Winterthur und La Chaux-de-Fonds bildeten, wäre noch eine in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Knonau nachzuweisende Sippengruppe zu erwähnen, deren Zusammenhang mit Andelfingen jedoch in Verbindung mit dieser Studie nicht abgeklärt wurde. Es ist dies die Familie eines Hans (Hensli) Eigenherr (auch Eigenher), welcher in den Jahren 1454, 1455, 1461 und 1468 mit seiner Frau und 1467 mit seiner Frau und seinem Sohne Hans in den Steuerbüchern der Vogtei Knonau vorkommt {29}.
 

Legende
 

autochthon

alteingesessen, bodenständig, eingeboren

Filiation

rechtmässige Abstammung, Sohn- Tochterverhältnis

Genealogie

Lehre von den Geschlechtern bezüglich ihrer Abstammung

Ibidem

am angeführten Ort

Idiotikon

Mundartwörterbuch

Monasterium

Kloster

Urbare = Urbarium
 
Grundbuch, Güter- und Zinsverzeichnis
 

1

Staatsarchiv Zürich, J 271, S.83

2

Ibidem, J 277, S.9

3 1488 wird in einem Reisrodel unter den Söldnern, die „wider das Verbot in die Reis zum römischen König geloffen sind“ ein Konrad Eiginer von Dorlikon (= heute Thalheim an der Thur) genann
4 Schweizerisches Idiotikon (= Mundartwörterbuch), Bd. II, Spalte 1528
5 Wolfikon, Gemeinde Strohwilen, Bezirk Weinfelden
6 Betrifft den heutigen Hof Burg bei Harenwilen, Bezirk Frauenfeld
7 Thurgauisches Urkundenbuch, Bd. V, Frauenfeld 1937, S.258 und 845
8 Staatsarchiv Zürich, J 271, S.128
9

Ibidem, Hofgerichtsrodel V, S.131 ff

10 J 271 a, S.10 verso: „Item [git] relicta gerien aigenherr de bono zer tannen
11 Ibidem, J 271 a, S.10 recto
12 Guido Hoppeler, Ein Steuerregister für die Zürcher Geistlichkeit vom Jahre 1489 (in: Zürcher Taschenbuch, Jahrg. 1925, S.97)
13 Staatsarchiv Zürich, C II 17, Nr.371
14

Ibidem, J 278

15 Die Steuerbücher der Stadt und Landschaft Zürich des XIV. und XV. Jahrhunderts, Bd.II, 1.Teil, S.630; Bd.VI, S.108
16 Staatsarchiv Zürich, J 277, S.10
17 Ibidem
18 Steuerbücher, Bd. V, S.120; Bd. VI, S.115, Bd. VII, S.111
19 Staatsarchiv Zürich, J 272, S.21 recto
20 Ibidem, F I 50
21 Bürgerarchiv Diessenhofen, Urkunde Nr.210
22 Staatsarchiv Zürich,Seckelamtsrechnungen, Jahrg. 1511, Ausgaben
23 Stadtarchiv Winterthur, Urbar des Spitals Winterthur, S.202
24 Staatsarchiv Zürich, F IIa 416 und F IIa 319
25 Stauber, a.a.O., S.904
26 Ibidem
27 Stauber, a.a.O., S.903
28 Vgl. Anmerkung 11
29 Steuerbücher, Bd.III, S.47, 128 und 273; Bd.V, S.1