Vogelschutzgebiet zwischen Schrott und Schrot
Hinter dem Schrotthaufen der Von Rollschen Eisenwerke dehnt sich eine seichte Wasserfläche aus, der Gerlafinger Weiher. Die Firma hatte den Stauteich im letzten Jahrhundert zur Wasserspeicherung geschaffen. Seit 1929 besteht ein Reservat (Eigentum Von Roll AG; Aufsicht ALA). Durch den Aufstau entstand zudem ein Sumpfgebiet mit einigen Wasserläufen, die den angrenzenden Wald – vor allem im südlichen Teil des Schutzgebietes – durchziehen. Wer einen Rundgang um das Reservat macht, stösst auf kleiner Fläche auf eine Vielfalt von Biotopen, wobei er manch Interessantes aus Tier- und Pflanzenwelt entdeckt. Besonders reizvoll ist die Uferzone, wo sich im Laufe der Jahrzehnte eine eigentliche Wildnis entwickelte. Die ganze östliche Hälfte des Schutzgebietes bietet ein ähnliches Bild, während die andere Hälfte aus einem „normalen“ Mischwald besteht.
Ein grosses Problem bildet die Verlandung. Die Von Roll AG hat den Weiher schon öftters ausgehoben. Bereits wäre wieder ein Eingriff nötig; doch fehlt dazu das Geld. Wenn indessen nichts geschieht, wird die Wasserfläche kleiner und kleiner. Ferner leidet das Reservat unter den vielen Störungen. Manches wäre besser, wenn die alten – z.T. unleserlichen – Verbotstafeln erneuert und in grösserer Zahl eingesetzt würden. Viele Leute lassen aus Unkenntnis Hunde frei laufen. Menschen und Vierbeiner dringen sogar ins Schutzgebiet ein. Waldarbeiter dürfen leider die Fläche immer noch nutzen. Bis vor wenigen Jahren oblagen die Solothurner Revierjäger der ganzen Nordostgrenze entlang ihrem Hobby; heute ist das Jagen höchstens bis etwa 100 Meter an den Weiher heran gestattet; glücklicherweise wird von diesem Recht nur noch selten Gebrauch gemacht.
Eine Unsitte ist das häufige Füttern der Wasservögel. Sogenannte „Tierfreunde“ stopfen einzelne Gefiederte bis zum Hals mit Brot voll, was bei Stockenten zu krampfartigen Zuckungen in Speiseröhre und Kropf führt. Neben den Stockenten zählen Höckerschwan und Blessralle zu den häufigen Futtergästen. Auch die Reiherente beteiligt sich heute das ganze Jahr über am Brot fressen, während die Teichralle nur ausserhalb der Butzeit mitmacht. Mit Ausnahme des Sommers treffen wir zudem Tafelenten am Futterplatz an. Auch die Lachmöwen fehlen natürlich nicht. Im tiefen Winter traut sich hie und da eine scheue Wasserralle eines Stücklein Brotes wegen aus dem Schilf; einmal konnte ich ein Exemplar aus knapp vier Metern Distanz betrachten. Ferner beobachtete ich je einmal eine beringte Kolbenente (Volierenflüchtling?) und eine Mittelente am Futterplatz.
Das Reservat besitzt eine recht interessante Brutvogelwelt. Von den Arten der Feuchtgebiete pflanzen sich hier alljährlich Zwergtaucher, Höckerschwan, Stockente (?), Reiherente, Blessralle, Teichralle und Teichrohrsänger fort. 1936 und 1938 kam es zu Krickentenbruten. Die Reiherente brütet seit 1968 am Weiher; ihr noch bis vor wenigen Jahren ansehnlicher Bestand ist leider wieder zusammengeschmolzen; 1977 waren bloss 14 Junge von zwei Paaren zu sehen. 1977 zeigte auch die Tafelente Brutverhalten; doch konnte ich nie Junge feststellen. Da bis jetzt keine systematischen Ermittlungen angestellt worden sind, fehlen von den meisten übrigen Vogelarten Brutnachweise. Doch ist das Reservat ein beliebter Aufenthaltsort für Spechte. Im Frühjahr ertönen die Rufreihen von Grau-, Grün-, Bunt- und Kleinspecht; allerdings nistete in der einzigen von mir bis jetzt entdeckten Spechthöhle ein Star! – Im Frühling und Herbst erscheinen im Gebiet Durchzügler, vor allem Enten, von denen ich in den letzten drei Jahren 11 Arten beobachtete, unter den Durchzüglern Mittel-, Pfeif-, Knäk-, Spiess-, Löffel- und Moorente. Zu den festgestellten Seltenheiten gehören Fischadler und Blaukehlchen. Als einzige Limikole war einmal eine Bekassine zu sehen.
Auch in der kalten Jahreszeit herrscht auf dem Weiher reges Leben. Zu den immer anwesenden Zwergtauchern, Höckerschwänen, Stock- und Reiherenten gesellen sich Lachmöwen in grosser Zahl. Von der Krickente sind manchmal bis 50 Stück zu sehen. In kleinerer Zahl stellt sich die Tafelente ein. Die Wasserralle überwintert in 2-3 Exemplaren; bis in den Frühling hinein sind ihre Rufe zu hören. Bemerkenswerterweise hat sogar die Rohrdommel das kleine Reservat als Winterquartier ausgewählt; erstmals bekam ich den versteckt lebenden Vogel am 26. Dez. 1975 in der Abenddämmerung zu Gesicht; im selben Winter beobachtete ich sie bis zum 15. März noch über 20 mal. 1976/77 machte ich vier Beobachtungen der Art zwischen dem 19. Dez. und dem 2. Febr., 1977/78 eine am 11. Jan. Laut Mitteilung von E. Beer soll die Rohrdommel schon in früheren Jahren im Schutzgebiet gesehen worden sein. – Es bleibt zu hoffen, dass das Reservat Gerlafinger Weiher auch in Zukunft seine Rolle als wichtiges Feuchtgebiet erfüllt; es könnte durch eine bessere Betreuung und Pflege an Bedeutung noch gewinnen.
Konrad Eigenheer, Gerlafingen